Harma Regina Rieth

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Bilder und Betrachter, eine Solidargemeinschaft ...

janina 2003 2

Gedanken zum Geburtstag von Harma-Regina Rieth

Der Steppenwolf war ein Mann von annähernd fünfzig Jahren", so heißt es im 1. Kapitel des berühmten Buches von Herrmann Hesse, und in J.W. Goethes "Faust" wird angedeutet, dass die gleichnamige Hauptfigur auch ungefähr dieses Alter hat, als die folgenschwere Einlassung mit dem Teufel passierte.
Für Männer scheint das 50. Lebensjahr eine Art Schwellenjahr zu sein; sie heben ab, malen kühne Selbstbildnisse als Napoleon, Mann mit Goldhelm oder gar als Jesus Christus. Andere leisten sich erotische Kapriolen, verlieben sich Hals über Kopf in Vertreterinnen der Enkelgeneration und wollen das Klischee widerlegen, man könne kein "neues Leben" anfangen.
Wieder andere gründen Parteien, gehen in die Fremdenlegion oder mit ihren Enkeln in den Sandkasten, sagen zu ihrer Ehefrau "Mutti" oder kaufen sich einen Ferrari - auf Kredit!
Ja, so sind die Männer mit 50!
Und die Frauen, wird man neugierig fragen.
Schauen wir uns in Literatur und Kunst um, dann entdecken wir kaum Auffälligkeiten, was das Verhalten anbetrifft: Sie nabeln ihre Kinder ein zweites Mal ab und handeln offenbar ganz vernünftig, so als gäbe es diese Schwelle nach einem halben Jahrhundert gar nicht. Von Ausbruch, Rollenverweigerung und Rebellion hört man kaum etwas, und auch das Bewusstsein von der Familie ausgenutzt worden zu sein, verursacht meist keine Nervenzusammenbrüche. Und das kann nur damit zusammenhängen, dass Frauen näher am Leben sind, mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen stehen oder - und das halte ich für den entscheidenden Punkt - das tägliche Einerlei kreativ durchbrechen und bunte Flecken in den grauen Alltagsteppich wirken. Und dieses Verhaltensmuster, nicht erst bis zum 50. Lebensjahr mit der Verwirklichung dieser kreativen Träume zu warten, liegt offenbar im Trend. Wie wäre es anders zu erklären, dass z.B. die postmoderne Literatur in Deutschland im wesentlichen durch Frauen geprägt wird. In der Malerei hinkt man da anscheinend hinterher.
Harma-Regina Rieth offenbar nicht, hat sie doch schon vor mehr als 20 Jahren mit der Verwirklichung ihrer kreativen Träume begonnen.
Vor ungefähr 15 Jahren haben wir sogar zweimal zusammen ausgestellt, und zwar in einem Geldinstitut. Und obwohl sie sich damals auf einem handtuchgroßen Geldschein selbst porträtierte, sozusagen als Göttin des Reichtums, als ins moderne übersetzt Luxuria, sind wir beide in den seither verflossenen Jahren mit unserer Malerei nicht reich geworden, haben es auch gar nicht darauf angelegt, so dass das Finanzamt uns wohl für arme Irre hält, weil wir immer zu in Material investieren und unsere kostbare Zeit opfern, ohne die Produkte irgendwann versteuerbar zu Geld zu machen. Und dieses Wirtschaftsgebaren hat sich bis auf den heutigen Tag nicht geändert. Wohl aber wir beide!
Da es in diesem Aufsatz aber um Frau Rieth gehen soll, wird jetzt nur noch von ihren Bildern die Rede sein.
In einer liebgewonnen Geschichte von Bert Brecht wird von einem Herrn Keuner berichtet, der einem lange nicht mehr gesehenen Freund begegnet und heftig erbleicht, als der Freund bemerkt, er habe sich gar nicht verändert. Ich bin sicher, wenn man die Bemerkung über Frau Rieth machen würde, würde sie auch erbleichen, denn man hätte sie gründlich missverstanden.
Sie hat sich gewandelt. Manches, was vor 15 Jahren noch an großen Vorbildern  daher kam, ist  gefestigt - nicht verfestigt -, Formen und Farben zeigen das; die Motive sind variabler geworden und zeugen von gereiftem Selbstbewusstsein.

Dennoch wäre es einerseits falsch, von einem eigenen Stil zu sprechen; das wird man vielleicht in weiteren 50 Jahren tun können. Anderseits hat sie sich ihre jugendliche Dynamik und Experimentierfreude sympathisch bewahrt und zu ihrer großen kreativen Stärke gemacht. Und diese Lust am Experiment wirkt sich nicht nur auf Formen und Farben, sondern auch auf Themen, Motive und Techniken aus.
Werfen wir einen Blick auf ihre Themen und Motive, dann ist dort am ehesten eine Konstante zu erkennen, die aber meines Erachtens mit ihrem Charakter zu tun hat: Da ist ihr Engagement für das Mitmenschliche. Sie mischt sich ein, weist in ihren Bildern auf Ungerechtigkeiten und politische Schieflagen hin, blickt auf die Kinder, die Alten und die Unterprivilegierten in unserer Gesellschaft und verleiht den Benachteiligten ein Gesicht, vor allem aber Augen: Ob das Kinder oder Frauen aus Bosnien oder Afghanistan sind, ob sie schwarze, gelbe oder weiße Hautfarbe haben, immer blicken uns die Augen "dieser unserer geringsten Brüder" an, wie vor 2000 Jahren unser größter Sozialrevolutionär gesagt hat. Und ich bin sicher, dass Harma-Regina Rieth auch den noch laufenden unfriedlichen und opferreichen Weltkonflikt thematisieren wird, und das mit Sicherheit nicht aus der Sicht der Täter, sondern der Opfer.
Aber wer so engagiert ist malt, wirkt der Verkaufbarkeit seiner Produkte entgegen, denn wer Unschönes thematisiert , wird keine im klassischen Sinne "Schöne Bilder" zustande bringen.
Wohl aber gewinnen solche Bilder andere Qualitäten: Sie sind interessant, anregend, zuweilen sogar aufregend und provozierend. Kopf und Herz des Betrachters werden stimuliert, das soziale Bewusstsein wird geschärft, Mahnbilder entstehen so und erinnern den Betrachter an das, was der Mensch ist und was er versäumt zu sein.
In ihren besten Bildern wird die Intention zu mahnen, zu provozierenden Zeichen verdichtet, zum Bildmenetekel wie in Heinrich Heines "Belsazar" oder Rilkes Gedicht "Archaischer Torso Apollos", wo es am Ende heißt: "Du musst dein Leben ändern!"
Aber wir alle wissen, dass das kein Mensch freiwillig tut und dass man die Menschen mit Kunstprodukten kaum ändern kann. Es ist eher umgekehrt: Man macht sich Feinde.
Und Frau Rieth kann davon ein Liedchen singen, oder um im Bild zu bleiben, ein Bildchen malen! Hebt man die Schwächen einer Gesellschaft hervor, weist man auf Ungerechtigkeiten hin, von denen der Philosoph Kant sagt, dass eine Gesellschaft, die nicht gegen Ungerechtigkeiten kämpft, besser untergehen würde, hebt man das Harte, Schlechte und Widersprüchliche hervor, um zu zeigen, wie die Welt eben nicht sein sollte, dann wird man oft gefragt, wo denn das Positive bleibe.
Nun, man kann solchen Fragen entgegenhalten, dass wir nicht mehr im Paradies leben. Da aber unsere Welt in vielerlei Hinsicht mangelhaft ist, muss es einer Malerin erlaubt sein, auf diese oft übersehende Mängel hinzuweisen, um eine Veränderung hin zum Positiven einzuleiten.
Denn wer ständig in seinen Bildern ruft: Schaut her, so sollte die Welt nicht sein, der wird, wenn er so hartnäckig ist wie unsere Malerin, schließlich auch Leute dazu bewegen, mitzurufen und auch am Ende mit zu verändern.
Aber selbst als psychologischer Laie ist mir bekannt, dass das mehr oder weniger ungehörte verhallende Rufen nach einer besseren Welt auch Auswirkungen auf die eigene Befindlichkeit haben kann. Will man die Last und die Laster der ganzen Menschheit auf seinen Schultern tragen und sich für die Schwächen und Grausamkeiten, die Menschen einander zufügen, verantwortlich fühlen, könnte man, wenn man kein positives Gegengewicht hat, melancholisch werden und seine Aggressionen schließlich gegen sich selbst richten, wie es etwa dem mutigen Journalisten und Schriftsteller Kurt Tucholsky erging, der sich im schwedischen Exil 1935 das Leben nahm.
Nein, aus diesem Holz schwarzen Holz der Melancholie ist unsere Malerin nicht geschnitzt.
Sie hat verschiedene Gegenmittel gegen das Resignieren entwickelt. Sie ist an ihren Gegnern gewachsen, sie ist eine Kämpferin auch gegen die eigenen körperlichen Schwächen, denen sie mit Selbstironie und einer Art verschmitztem Humor, den man ja speziell den Rothaarigen nachsagt, entgegentritt.
Auch ihr "Kampf" gegen die Bürokratie des Kunstvereins oder gegen diverse selbsternannte Kunstpäpste der Region hat sie eher gestärkt als geschwächt.
Und so erwartet sie auch gar nicht , dass ihr die Kommunalpolitiker zum Geburtstag mit Sekt und roten Rosen huldigen, dass sich große Galerien oder potente Käufer um ihre Bilder reißen oder sie sich vor Interviewterminen kaum retten kann.
Nein, die Mittel mit Mut und Anstand beharrlich weiter zu arbeiten, schöpft sie aus sich selbst, aus ihrer Familie und dem Freundeskreis.
Das Renommieren ist nicht ihre Sache und allein die Tatsache, dass man eine Akademie besucht hat, erzeugt nicht automatisch große Kunst.
Sie hat als Autodidaktin ein Bewusstsein entwickelt, das der französische Maler André Derain seinen Schülern manchmal an den Rand ihrer Zeichnungen schrieb: "Habt keine Angst, banal zu sein, wenn ihr Originalität habt, dann wird sie schon irgendwann hervortreten ."
So sympathisch solide und unverkrampft arbeitet auch Harma-Regina Rieth, und wie ich sie kenne, wird sie auch nach ihrem Geburtstag kaum Visitenkarten drucken lassen, auf denen dann der Titel "Künstlerin" steht.
So bleiben - was die Bilder von Harma-Regina Rieth anbetrifft - auch nach dem Geburtstag noch Fragen offen. Es sind aber Fragen, die letztlich auf die eine Wesensfrage eines suchenden Menschen hinaus laufen, nämlich auf die Fragen, was man selbst ist und was aus einem geworden ist und was man noch wird. Diese Fragen nach dem Selbstverständnis schließt viele andere ein. Und wenn wir bei ihr auf die Suche nach einer Antwort per Bild sind, kann es im besten Falle so sein, dass andere mit uns fragen, wie man unsere Welt ein bisschen sensibler, kurzum ein bisschen menschlicher machen kann.
In diesem nachdenklichen Sinne hat sich die Malerin auf den Weg gemacht. Ihre Bilder sind Vorschläge zur Reparatur unserer Welt, Kostenvoranschläge die uns ein freundlicher Mensch freundlich macht.
Bert Brecht, den ich in diesem Zusammenhang immer gerne mit dem Wunsch zitiere, was auf seinem Grabstein stehen könnte, hat da eine Bescheidenheit an den Tag gelegt, die uns alle in einer schnelllebigen Zeit, in der Sternchen, Coole und Supercoole heute geboren und morgen vergessen werden, gut zu Gesicht stehen würde, und gesagt:
"Er hat Vorschläge gemacht und wir haben sie angenommen, damit wären wir alle geehrt."
Die Vorschläge liegen mit ihren Bildern auf dem Tisch, bzw. hängen an den Wänden; nun liegt es an uns, den Betrachtern, uns in diese Solidargemeinschaft einzubringen, denn das würde uns alle ehren.

Dr. Armin Peter Faust (2003)